Der Rumms nach dem Wumms

Nach dem Beschluss des BVerfG zu Sondervermögen

Walter Stehling, «Habecks Krisenküche», 2022.
Walter Stehling, «Habecks Krisenküche», 2022

Die Bundesregierung scheitert mit dem Haushaltsplan
Die Wirtschaftsprognosen schwanken. Die Bundesregierung hatte noch im April 2023 für das Jahr 2023 ein Wachstum des BIP von plus 0,4% vorhergesagt. Die Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute kam im September 2023 indes auf minus 0,6%. Aber bezogen auf das nächste Jahr sind sich alle darin einig, dass die Rezession wie von selbst verschwinde. Aber je älter das Jahr wird, desto pessimistischer werden die Prognosen.
Aber noch stecken wir mittendrin.


Und erst recht sind die kurz- und langfristigen Wirkungen eines Urteils des BVerfG zum Bundeshaushalt 2021 noch nicht abzuwägen. Schon zuvor gab es Prognosen, die für das kommende Jahr kein Wachstum erwarten lassen. Allgemein haben wir es mit den Wirkungen der Überproduktionskrise zu tun. Es gibt zu viel Kapital, das vergeblich nach rentierlichen Anlagemöglichkeiten sucht.

Unterdessen ist es nicht leicht, zutreffendes und hinreichend kennzeichnendes Datenmaterial für die Wirtschaftslage zu finden. Wenn wir der Wirtschaftsauskunftei Creditreform glauben wollen, hat sich die Überschuldungslage der Verbraucher auf den ersten Blick für das Jahr 2023 leicht verbessert. Nur noch 5,65 Millionen Menschen, also 233.000 weniger Fälle als im Vorjahr sollen als überschuldet gelten. Offiziell sei das ein erneuter Tiefststand. Aber die vermeintlich guten Werte trügen leider, meint die Firma und verweist auf einen statistischen Sondereffekt. Denn neuerdings werden die Speicherfristen für Restschuldbefreiungen von bisher drei Jahren auf nun sechs Monate verkürzt. Wenn man diese Fälle wieder reinrechnet, gibt es 17.000 Fälle mehr als 2022. Die Überschuldungsquote läge in Wahrheit bei 8,51 Prozent statt bei 8,15% und damit dann doch über dem Vorjahr. In Köln sind es unbereinigt 9,5%, etwa 100.000 Menschen, deren Ausgaben dauerhaft ihre Einnahmen übersteigen.
Ein anderes Indiz für die Wirtschaftslage ist die Zahl der Firmenpleiten. Das statistische Bundesamt hat dazu am 14. November 2023 mitgeteilt, dass es 22,4 % mehr beantragte Regelinsolvenzen im Oktober 2023 als im Oktober 2022 gab. Überhaupt sind seit Juni 2023 durchgängig zweistellige Zuwachsraten im Vorjahresvergleich zu beobachten. Im September 2023 waren es 19,5 %. Damit blieben sie immerhin unter dem Wert vom Juli. Im Juli 2023 hatten die Amtsgerichte nach endgültigen Ergebnissen 1586 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Das waren 37,4 % mehr als im Juli 2022.

Vom Roncalliplatz hat man einen bequemen Blick auf die Baustelle des sogenannten Laurenz Carrés. Hier wollte die Düsseldorfer Gerchgroup bauen, allerdings keine Wohnungen, zu denen sie die Stadt Köln verpflichtet hatte. Jetzt liegt die Baustelle still. Die Gerchgroup nennt als Gründe das «derzeitige Marktumfeld» und «erschwerte lagespezifische Rahmenbedingungen“. Aber offenkundig ist die Firma pleite. Und sie ist nur eine in einer ganzen Reihe von spektakulären Firmenpleiten. Das Fimenkonglomerat Signa des Österreichers Benko ragt heraus, zumal er so clever war, sich in den Jahren zuvor großzügiger staatlicher Subventionen zu bedienen, vorgeblich um Arbeitsplätze zu erhalten.

Nun hat vor dem Hintergrund der Rezession und trotz erheblicher Subventionsbedürfnisse das Bundesverfassungsgericht am 15. November den zweiten Nachtragshaushalt 2021 für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Folglich fehlen der Ampel zunächst einmal 60 Milliarden. Euro für Projekte, die mit dem Hinweis auf Klimaschutz etwa die Sanierung von Gebäuden oder die Elektromobilität subventionieren sollten. Nun stammt diese Summe aber aus einem Topf, der Corona-Folgen abzufedern hatte. Die Seuche galt als Notlage, die eine Ausnahme von der grundgesetzlich festgelegten Schuldenbremse rechtfertigte. Das Geld wurde während der Pandemie aber nicht ausgegeben. Es war übrig und verführte die Ampel dazu, es in den «Klima- und Transformationsfonds» (KTF) zu schieben. Das geschah 2022 mittels Nachtrags im Haushalt 2021. Das Bundesverfassungsgericht aber hält auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion diesen Vorgang für grundgesetzwidrig.
Schon vor einem Vierteljahr, im August 2023, hatte der Bundesrechnungshof der Bundesregierung bescheinigt, dass die tatsächliche Nettokreditaufnahme fünf mal so hoch sei, als im Bundeshaushalt ausgewiesen werde. Den Unterschied machen die sogenannten Sondervermögen. Von denen zählte der Bundesrechnungshof 29 Stück, darunter der Wumms und der Doppelwumms, also das Sondervermögen von 100 Mrd. Euro für die Bundeswehr und der Wirtschaftsstabilisierungsfonds in der Energiekrise von 200 Mrd.
Der finanzielle Umfang der 29 Sondertöpfe beträgt insgesamt rund 869 Mrd. Euro. Der weit überwiegende Teil davon ist kreditfinanziert. Das Verschuldungspotenzial der Sondervermögen lag Ende 2022 bei insgesamt rund 522 Mrd. Euro. Das ist laut Bundesrechnungshof das rund Fünffache der im Finanzplanungszeitraum 2023 bis 2027 ausgewiesenen Kreditaufnahme. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt von 2023 hat den Umfang von 476 Mrd. Euro. Der Kreditrahmen der Sondervermögen übersteigt folglich sogar den Bundeshaushalt um etwa 10%.
Alle möglichen Haushaltsposten stehen jetzt zur Disposition, namentlich Sozialausgaben. Die Bundesregierung wird einiges an verschärfter Repression und Demagogie aufbringen müssen, um in dieser Situation Gelegenheiten für gedeihliche Monopolprofite parat zu stellen. Allein die 100 Mrd für die Bundeswehr sind unverrückbar verplant.

Der städtische Haushalt
Dörte Diemert, die Stadtkämmerin, wurde am 2. Dezember von der Kölnischen Rundschau befragt. Die Kämmerin beklagt dramatische Entwicklungen der Kosten. Die Zinsen seien massiv und so schnell wie nie in der Geschichte gestiegen. Das betrifft den Haushalt der Stadt, aber auch viele Beteiligungen und die Finanzen bei Trägern, die für die Stadt tätig sind. Ungeklärt sei die Finanzierungssituation beim Deutschlandticket. Die Kinder- und Jugendhilfe verlangt seit der Coronapandemie deutlich höhere Aufwendungen. Auch die höheren Belastungen bei Geflüchteten schlagen zu Buche.
Dann nennt sie einen Investitionsstau bei Schulen, Brücken oder die Sanierung öffentlicher Gebäude. Klimaschutz, Energie- und Mobilitätswende kommen dazu. Die Frage der KR galt aber zunächst mal den Kliniken in Merheim, die Zusammenlegung könnte am Ende mehr als eine Milliarde Euro kosten.
Für neue Aufgaben, die nicht ausreichend finanziert seien, nennt die Kämmerin als Beispiel die Wohngeldreform des Bundes. Die habe zu massivem personellen Mehrbedarf geführt, der mit 12 Millionen Euro pro Jahr zu Buche schlage und nicht erstattet werde.
Offenbar entwickeln sich aber die Steuererträge so positiv, dass sie von Maßnahmen wie Haushaltssperre noch nicht reden will. Die Risiken allerdings sind hoch, aber das gelte flächendeckend für alle Kommunen. Die Landesregierung denke infolgedessen über Veränderungen im Haushaltsrecht nach.
Angesprochen auf die teuren Großprojekte wie die Kulturbauten Oper, MiQua, RGM mahnt sie sachte, man solle die gesamten Projekte in den Blick nehmen und dann priorisieren. Auf deutsch: sparen.
In Köln gab es im Jahr 2020 einen Haushaltsüberschuss von 235 Mio. Euro, wo zunächst ein Verlust von 51,3 Mio. kalkuliert worden ist. 2021 betrug das Plus 182 Mio. Euro, wo ein Verlust von 29,1 Mio. geplant war. Dieser Überschuss wäre mit den Lasten der Corona-Pandemie in Höhe von 475 Mio. Euro zu verrechnen gewesen. Allerdings konnten diese Lasten ausgebucht werden, müssen erst ab 2026 abbezahlt werden.
Auch das sieht wie einer der Sondertöpfe aus, von denen oben schon die Rede war, allerdings in kommunaler Größenordnung. Auch hier fließt anlagesuchendes Kapital hinein. Selten wird nach solchen Kredittöpfen der städtischen Betriebe gefragt, nach deren Krediten, die formell selbständig angelegt werden. Etwa bei den Stadtwerken. Aber auf diese Weise verbergen sich im Kölner Stadthaushalt Schattenhaushalte, über die der Mantel des Schweigens liegt.

Was werden die Folgen sein?
Einen sozialen Krieg gegen die eigene Bevölkerung nannte Sevim Dagdelen in einer Rede am 1. September beim Kölner Friedensforum die Politik der Bundesregierung. Und sie zählte einfach mal ganz konkret die Kürzungsposten auf, die dem im Haushalt 2024 vorgesehenen Militärausgaben von 85,5 Milliarden Euro, den höchsten seit 1945, gegenüberstehen: Müttergenesungswerk: minus 93 Prozent, Familienferienstätten: minus 93 Prozent, Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätten: minus 77 Prozent, freie Jugendhilfe: minus 19 Prozent, Wohngeld: minus 16 Prozent, BAföG: minus 24 Prozent. So sieht soziale Kälte aus.
Und sie führte weiter aus:
«Dieser soziale Krieg gegen die eigene Bevölkerung beinhaltet aber auch eine Politik, die die Infrastruktur in Deutschland weiter kaputtkürzt und Deutschland als Industrieland massiv gefährdet. Viele denken hier oft nur an die Bahn, was sicherlich stimmt. Aus Personalmangel müssen Bahnstrecken zeitweilig eingestellt werden, so grotesk ist die Lage mittlerweile.»
Gerade heute veröffentlichte die Presse Daten über die Extra-Zahlungen der Bundesbahn für ihre Führungsetage. Der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz erhält unter der Rubrik CO2-Einsparung allein durch eine zweiprozentige Übererfüllung eine Bonuszahlung von 440.000 Euro. Die Bahn belohnt ihre Manager mit insgesamt annähernd fünf Mio. Euro Boni für das Jahr 2022 «trotz Verfehlung der Ziele Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit», wie es heißt. Vermutlich just wegen Verfehlung dieser Ziele, denn so bleibt der PKW zuverlässiger und die Autokonzerne sind zufrieden.
Dagdelen: «Ein anderes, nicht minder gravierendes Beispiel sind die Krankenhäuser. Die wirtschaftliche Situation der Kliniken ist dramatisch. Es droht ein Kahlschlag bei der Gesundheitsversorgung und die Schließung vieler weiterer Krankenhäuser, ohne dass hier von der Bundesregierung gegengesteuert wird. Am Ende wird ein völlig kaputtes Gesundheitssystem stehen.»

In der veröffentlichten Meinung spielt dieser soziale Krieg gegen die eigene Bevölkerung nur eine geringe Rolle. Stattdessen begleiten Vernichtungsphantasien die Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine und in Palästina, drängt die Regierung immer wieder zu militärischen Lösungen der politischen Probleme. Die Ampelkoalition ist gleichgültig gegenüber den elementarsten Bedürfnissen der Menschen. Die Armut steigt. Die Wohnungsnot wächst, die Gesundheitsversorgung schwindet. Profitinteressen der Eigentümer wiegen schwerer als die Menschenrechte auf Wohnen und geistige und körperliche Gesundheit.
Kritik am sozialen Kahlschlag der Ampel-Regierung kommt von den Wohlfahrtsverbänden, aber ohne die den Wirtschaftskrieg gegen Russland, Hochrüstung und die «Ertüchtigungshilfe» (Waffenlieferungen) an die Ukraine als Ursachen dafür zu benennen.

Klaus, im KV 12. Dezember 2023


Die Bundesregierung scheitert mit dem Haushaltsplan.